5 Fragen, 5 Antworten: Interview mit Olympiateilnehmer Tobias Potye (29) zu seiner Knie-OP in München und zu #Paris2024

Mit chronischen Knieschmerzen kämpft Hochspringer Tobias Potye (Instagram: @tobiaspotye (https://www.instagram.com/tobiaspotye/), LG Stadtwerke München, seit neun Jahren. Immer wieder musste er deshalb internationale Wettkämpfe absagen oder abbrechen. Rund 100 Tage vor Olympia hat er sich in München einem mikro-invasiven Eingriff an der linken Patellasehne unterzogen. Warum hat er sich für die Operation und das Tenex-Verfahren entschieden? Wie ging es ihm nach der OP? Mit welchen Emotionen blickt er in Richtung Paris? Das und mehr hat uns der WM-Fünfte von 2023 und Vize-Europameister von 2022 verraten.

1) Beim internationalen Hochsprung-Meeting von Heilbronn am 14.07. hast Du erst mit persönlicher Saisonbestleistung von 2,29 Metern Deine Form für die Olympischen Spiele unterstrichen. Beim Versuch, 2,31 Meter zu überspringen, musstest Du dann den Wettkampf abbrechen. Was war los und wie geht es Dir jetzt, wenige Tage später? Wirft die Verletzung Dich in Deiner Olympiavorbereitung weit zurück?

Tobias Potye: „Bei meinem ersten Versuch über 2,31 Meter habe ich meinen Fuß beim Absprung wahrscheinlich etwas anders aufgesetzt und mir dabei die Plantarfaszie* angerissen. Drei Wochen vor Paris ist das nicht hilfreich. Aber das muss ich akzeptieren. Gesundheit und Beschwerdefreiheit sind das Wichtigste. Ich bin in intensiver Behandlung, habe ein tolles Team um mich und bin deshalb optimistisch für Paris.“

*Anmerkung: Die Plantarfaszie ist eine Sehnenplatte an der Fußsohle.

2) Seit neun Jahren kämpfst Du mit einer chronischen Entzündung Deiner linken Patellasehne. Warum hast Du Dich rund 100 Tage vor den Olympischen Spielen operieren lassen? War das nicht zu riskant?

Tobias Potye: „Etwa drei Monate vor Paris ist das natürlich eine ungewöhnliche Entscheidung. Aber ich kam mit konventionellen Behandlungen nicht mehr weiter. Mit meinem Knie und Verletzungen habe ich leider schon so lange zu kämpfen. Die Wettkämpfe, in denen ich schmerzfrei springen konnte, waren dünn gesät. Seit Februar waren die Knieschmerzen wieder besonders stark, haben mich erneut ausgebremst und ich habe mich gefragt, ob ich nochmal eine Chance bekomme, mein Potential auszuschöpfen. Dem Ärzteteam rund um Dr. Frank Styra, der auch leitender Orthopäde am Olympiastützpunkt Bayern ist, vertraue ich seit vielen Jahren. Deshalb habe ich mich Anfang Mai im Move MVZ operieren lassen. Mikro-chirurgisch wurde falsch vernarbtes Gewebe entfernt.“

 

3) Wie ging es Dir nach der OP? Hattest Du Schmerzen und wie lange musstest Du mit Training pausieren?

Tobias Potye: „Direkt nach der OP hatte ich gar keine Schmerzen. Das hat mich überrascht. Die erste Woche nach dem Eingriff war ich mit Gehhilfen unterwegs, um den Heilungsprozess zusätzlich zu beschleunigen, danach habe ich mich Schritt für Schritt wieder ins Training hineingearbeitet. Anders als so oft in den vergangenen Jahren war sogar echtes Technik-Training möglich. Mit zunehmender Belastung hat sich das Knie dann immer mal wieder leicht gemeldet, aber Hochspringen ist nicht Spazierengehen, das ist eine ganz andere Belastungsintensität. Insgesamt geht es mir wesentlich besser als vor der OP. Vermutlich hätte ich mich schon viel früher für den Eingriff entscheiden sollen, aber in Deutschland ist er noch relativ neu. In den vergangenen Jahren habe ich sehr viele Behandlungsansätze ausprobiert, denn teilweise konnte ich nicht einmal mehr normal gehen. An Training oder Wettkämpfe war da nicht zu denken. Das hat mir zwischenzeitlich viel Kummer bereitet.“


4) Vor zwei Jahren wurdest Du Vize-Europameister mit 2,27 Metern, ohne Techniktraining und trotz Kniebeschwerden. Im vorigen Jahr hast Du beim Diamond League Chorzow in Polen mit 2,34 Metern Deine persönliche Bestleistung erzielt und wurdest WM-Fünfter, mit 2,33 Metern. Paris steht bevor. Welche Bedeutung hatte deshalb die OP für Dich?

Tobias Potye: „Ohne den Eingriff wäre ich in Heilbronn wahrscheinlich nicht so hoch gesprungen. Ich wünsche mir, eine Serie von Wettkämpfen auf diesem und noch höheren Niveau schmerzfrei absolvieren zu können und Zeit in der Weltspitze genießen zu können. Ich spüre, dass noch mehr in mir steckt. Das möchte ich zeigen können.“


5) Mit 2,29 Metern hast Du gerade Deine persönliche Saisonbestleistung erreicht.
Mit welchen Emotionen blickst Du Deinen ersten Olympischen Spielen und insbesondere der Qualifikation am 7. August im Stade de France mit 80.000 Zuschauerplätzen entgegen?

Tobias Potye: „Die Olympischen Spiele sind für uns Sportler die größte Bühne, auf der wir uns messen können. Ich möchte in Paris in Bestform auftreten. Meine Form war durch meine Knieprobleme lange unklar – für den Kopf eine harte Nuss. Für mich war es auch schwierig, mich nach der OP wieder zu trauen, mit voller Kraft zu springen. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht, bis man wieder volles Vertrauen ins Knie gewinnt. Das hat tatsächlich bis vorigen Sonntag, bis zum internationalen Hochsprung-Meeting von Heilbronn, gedauert. Dort konnte ich endlich meine Form finden, Sicherheit und Selbstvertrauen tanken und bin nun zuversichtlich für Paris, trotz der aktuellen Fußverletzung.“

Lieber Tobias, vielen Dank für das spannende Interview und Dein Vertrauen in uns. Wir wünschen Dir Gesundheit und nur das Beste für Paris!